Es sollte mein Saisonhighlight werden. Die 15. Challenge Roth ist das „must do“ im Triathlon. Hawaii und Roth sind wohl die bekanntesten Langdistanzrennen. Da liegt es nahe, dass man als Triathlet einmal bei diesem Rennen gestartet sein muss. Vor fast 20 Jahren lief hier mein Vater über die Ziellinie, damals noch unter dem Ironman Label. Am 17.07. sollte es für mich soweit sein.
Lange Vorberreitung
Doch bevor es soweit kommen konnte, musste ersteinmal die Form aufgebaut werden. Ein Ambitioniertes Ziel hatte ich mir vergangenes Jahr auf die Fahne geschrieben. Sub9, also 08:59:59, das sollte meine Zielzeit sein. Nur wer Ziele hat, kann sich auch motivieren. Also ging es schon im Dezember 2015 nach Thailand, zwar nur für eine Woche, aber die Radkm dort sollten der erste Grundstein sein. Gut durch den Winter gekommen, ging der Flieger für 14 Tage nochmals ins Thanyapura Trainingszentrum. Diesmal auch im Schwerpunkt laufen. Ich wollte die Hitze trainieren und es gelang mir, widererwartend, sehr sehr gut mich auf die Bedingungen einzustellen. Da war es schon fast kalt auf der Frühlingsinsel Fuerteventura, wo ich weitere 3 Wochen im Trainingslager verbrachte. Das alles klingt schon nach Profi, ich wollte es aber wirklich noch einmal wissen.
Start in die Saison und Vorbereitung Challenge Roth
Der Start in die Triathlonsaison verlief nahezu perfekt. Ein paar kleine (Lauf-)Wettkämpfe, ein 5. Platz in Weiden, ein 13. Platz in Lauingen. Alles deutete auf eine gute Vorbereitung hin. So ging es am Freitag nach Roth. Ich wollte den Aufenthalt einfach so kurz wie möglich gestalten. Der ganze Trubel ist einfach Wahnsinn und macht mich eher immer noch nervöser. Samstag das Bike einchecken und schon ging es so früh wie möglich in die Pension zurück. Leider fanden wir dort eine deftige Hochzeit vor (uns wurde im Vorfeld und auch vor Ort nichts gesagt) und nach langem hin und her fanden wir in Allersberg eine neue Bleibe. Um 23:30 Uhr bezog ich mein neues 1-Zimmer Appartment. Nicht gerade die perfekte Nacht vor einem Wettkampf. Ich rate jedem Triathleten die Ortschaft Ebenried zu meiden. Während alle im Landkreis Roth völlig hinter dem Triathlon stehen so ist diese Ortschaft scheinbar das „Gallische Dorf“.
Start der 15. Challenge Roth
Es sollte mein großer Auftritt werden, ein einziges Hoch, vom Schwimmstart über den Solarer Berg und der Zieleinlauf. Es wurde der blanke Wahnsinn. Genau 12 min dauerte es und ich befand mich inmitten meiner größten Krise. Sitzend am Kanalrand und verzweifelnd die Krämpfe aus meinen Waden dehnend. 1000m hatte ich da gerade absolviert und dachte ich träume. Bis zur Wendemarke hatte ich immer wieder Mühe überhaupt richtig zu schwimmen, immer wieder machte mein ganzer Körper zu. Mir wurde kalt und ich hatte das erstmal wirklich die Absicht einfach auf zu hören, weil es einfach eine Katastrophe war. Irgendwie kam ich dann aus dem Wasser, gefühlt hatte ich über eine Stunde auf der Uhr, ein Blick und es standen 57 min zu Buche, ich konnte das gar nicht glauben und dachte ich hätte mich verstoppt.
180km gegen den eigenen Körper – Wenn der Kopf will, der Körper aber nicht
Also durch die Wechselzone und unter Krämpfen den Neo ausziehen. Solche ernsten Probleme hatte ich bisher noch nie in einer Langdistanz. Ich habe mir nur gesagt, es kann nur besser werden und es ist noch ein langer Tag. Ich beschloss erstmal easy los zu fahren und einfach zu schauen, was möglich ist. Als ich nach 40km immer noch keinen Rhythmus hatte, wurde mir immer mehr bewusst, wie sehr ich heute kämpfen muss. Ich nahm also mein Herz in die Hand und beschloss von nun an einfach so gut es geht zu fahre. Irgendwie gelang es mir dennoch nach 4:50h Radzeit und damit „nur“ rund 10min hinter meiner geplanten Gesamtzeit das Rad in der Wechselzone 2 abzustellen. Ich muss gestehen, dass ich dort in der Wechselzone gedacht habe, was wäre nur wenn es heute mal einfach gelaufen wäre?
Ein Marathon ist lang
Dafür dass ich mich seit gut 6h in einer völlig falschen Welt wähnte und nur von km zu km dachte, war ich also gar nicht so schlecht unterwegs. Ein 3:10h Marathon würde sogar noch reichen. Trainiert hatte ich auf einen 3:15/20, also einfach mal losrennen. Bei km 5 dachte ich jedoch, ok fühlt sich wie km35 an, mal sehen obs besser wird. Leider wird es das im Marathon nur selten. Bei km18 wurde es schon schwer 4:45min/km zu laufen. Bei km 22 dann die berüchtigte „Wand“, wobei es bei mir nicht plötzlich kam, sondern einfach ein Resultat der letzten 7,5h Stunden Kampf gegen mich selbst. Bis km 28 war ich noch in der Lage und hatte den Willen dagegen zu kämpfen. Der Schnitt war jenseits von dem was ich kann und wollte, aber aufgeben wollte ich auch nicht mehr. Ab km 30 war es dann um meinen Willen geschehen. Ich sagte mir immer wieder nur noch ne Stunde, dann ist es durch. Aber ich konnte nicht mehr. Mein Kopf war leer und der Wille weg. Da tat es gut, Sabine bei km 34 plötzlich fröhlich neben mir zu haben, sie joggte über 1km mit mir mit und munterte mich auf, ein kleiner Lichtblick am Tunnel. Bis km 40 hielt dieses kleine Hoch. In Roth musste ich nochmal für eine längere Zeit stehen bleiben. 2km vor dem Ziel war ich praktisch nicht mehr in dieser Welt.
Im Ziel der Challenge und Fazit
Nach 9:32h lief ich ins Ziel. Ich weiß davon leider nichts mehr. Autopilot trifft es ganz gut. Dieser wurde bis 1m nach der Ziellinie programmiert, dann ging nichts mehr.
Nach ein paar Minuten war ich aber wieder auf den Beinen, natürlich zunächst völlig unzufrieden. Unzufrieden mit mir selbst, warum ich den ganzen Tag nicht annähernd meine Leistung abrufen konnte. Das ich an diesem Tag aber vor allem mich selbst besiegt habe, dass habe ich erst ein paar Tage später realisiert. Ich habe mich praktisch an jeder Stelle meines Körpers irgendwie Wund gelaufen, geradelt oder geschwommen. Den ganzen Tag über war irgendwie der „Wurm“ drin. Gefühlt am Limit aber weit weg von den Werten die ich kann. Es bleibt die Gewissheit, dass ich selbst an meinem schlechtesten Tag in der Lage bin, mein Herz in die Hand zu nehmen und sprichwörtlich zu laufen „bis die Füsse bluten“. Es gibt keine leichten Wettkämpfe, die Challenge Roth 2016 zählt für mich schwersten aber auch zu den lehrreichsten Erfahrungen die ich je machen konnte. Eine Erfahrung die ich aber keinem Wünsche.
Ich danke vor allem meiner Freundin, Gabi, für die seelische Unterstützung vor Ort. Das gesamte Wochenende immer bei mir und mir zur Seite stehend. Auch meiner Schwester möchte ich hier nennen, die mit ihrer guten Laune einfach weiß, wie sie mich wieder aufbaut. Danke dass es euch gibt! Natürlich noch allen anderen, unfassbar vielen Menschen, die mich da am Kanal angefeuert haben, ihr seit der Wahnsinn!
Last but not least - Challenge Roth 2017 – I am in – Projekt Sub9 2017.
Torsten